Mittwoch, 29. Oktober 2003
Der Andere
Es ist das Ungewöhnliche, Neue und Fremde, das uns erregt, neugierig macht uns aber oft auch verängstigt. Eine neue Aufgabe im Beruf, eine Beziehung, ein neues Land, das wir bereisen. Die neuen Eindrücke, Erlebnisse und Erkenntnisse sind immer mit Erwartungen und dem Ungewissen verknüpft. Nur wenn wir den Mut haben uns auf das Neue, Fremde oder Ungewöhnliche einzulassen, können wir darüber urteilen und dann entscheiden, ob es für uns positiv oder negativ ist. Doch zu oft tun wir es schon vorher, ohne es zu kennen. Das Resultat sind Vorurteile, die unsere Meinung über etwas prägt und wir lassen sie uns gerne von anderen bestätigen. Da das Urteil nicht durch das eigene Erkennen und Erfahren gefällt wird, liegt es aber dann eben oft neben der Wahrheit.


Besonders leicht fällt es uns dabei, über einen anderen Menschen zu urteilen. Jeder von uns hat seine eigenen Wesenszüge, seinen Charakter, seine Erfahrungen, die uns zu dem machen, was wir sind. Das heißt aber auch, dass wir, bedingt durch die unendliche Vielzahl der unterschiedlichen Verhaltensmuster, jeden Menschen als das "Neue", "Fremde", "Ungewöhnliche" erleben. Da wir unsere eigenen Wesenszüge als Grundlage der Beurteilung über andere nehmen, löst dies, oft auch schon bei kleinen Abweichungen, Ablehnung aus. Dies erleben wir tagtäglich im Privaten und im Beruf.

Das eigene Verhalten wird von Geburt an (und auch schon davor) durch das Erlebte geprägt. So sind wir schüchtern oder offen, redselig oder verschlossen, aggressiv oder friedfertig, anspruchsvoll oder bescheiden, lustig oder depressiv, traurig oder fröhlich, selbstherrlich oder unterwürfig usw. Dies alles hat auch etwas mit den erlebten Ängsten zu tun, denen wir alle von Geburt an ausgesetzt sind und die wir auf unterschiedliche Art verarbeitet haben. Das Resultat ist, dass der eine mehr von dem einen und der andere mehr von dem anderen Wesenszug zeigt.

Mit dieser Erkenntnis, das Forschungsgebiet der Psychologie, gestalten wir mehr oder weniger geschickt unser Zusammenleben. Dabei kommt es zu Zusammenstößen, Streit, Feindseeligkeiten aber natürlich auch zu Versöhnungen, Freude und Erstaunen usw. In einem ausgeglichenen Maße ist dies auch sehr wichtig für ein friedliches und "lernendes" Zusammenleben. Wird das Maß verlassen ist Streit, Hass und Krieg die Folge. Missverständnisse, Rache, Neid und so vieles mehr können die Gründe sein aber eben auch Vorurteile. Zu oft sind wir dann nicht bereit, das Verhalten des Anderen zu verstehen, weil uns die eigene Erfahrung und Erkenntnis fehlt. Es ist der Mix aus Mut, Sich-Zurücknehmen, Zuhören und Offenheit der uns hilft, Vorurteile aus dem Weg zu räumen. Könnten wir uns das Zusammenleben nicht ein wenig einfacher gestalten, wenn wir diesen Verahltens-Mix öfter anwenden?
Wieso eigentlich nicht?

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