Montag, 3. November 2003
Das Kommunikationsloch
Würden wir unser Alltagsleben als Comic darstellen, wären die Seiten überfüllt mit Sprechblasen. Diskussionen, Gespräche, Small Talks finden fast zu jeder Tageszeit und an jedem Ort statt. An jedem Ort? Nein! Es gibt in Deutschland so etwas wie Kommunikationslöcher, Orte an denen das Gespräch verstummt, Belangloses nicht ausgesprochen wird und Diskussionen unerwünscht scheinen. Am deutlichsten wird dies im Fahrstuhl. Ob Öffentliche, Fahrstühle in Kaufhäusern und Hotels oder im Büro - schließt sich die Tür des Fahrstuhls, verstummt jedes Gespräch oder wird sofort im Keim erstickt, wurde es noch vor der Fahrstuhltür angeregt geführt. Blicke schweifen an die Decke, die Etagenanzeige wird eingehend studiert oder Mitfahrer werden "heimlich" aus den Augenwinkeln beobachtet. Meistens jedoch verfällt der Fahrstuhlfahrer in eine Starre, den Blick gebannt auf einen magischen Fleck kurz vor seinen Füßen. Nur keine unnötige Bewegung, nicht auffallen und schon gar nicht reden, scheint die unausgesprochene Devise zu lauten.

Was ist der Grund für dieses plötzliche Schweigen, sind die meisten von uns doch sonst nicht besonders Maulfaul? Ist es die Angst, etwas Falsches zu sagen? Haben wir kein Bedürfnis, den anderen an unserem Gespräch teilhaben zu lassen? Scheuen wir uns vor möglichen Reaktionen? Ist es die ungewöhnliche Nähe zwischen fremden Menschen, die uns Verstummen lässt? Sehen wir den Mitfahrer als Eindringling, Konkurrenten oder Störenfried? Interessant, dass auch sich bekannte Personen das Gespräch einstellen. Ähnliches erlebt man in Zügen, S- oder U-Bahnen. Rückt uns jemand zu nah auf die Pelle, verfallen wir in Schweigen. Menschen anderer Nationen tun sich da wesentlich leichter. Egal ob bekannt oder fremd, trifft man sich im Fahrtsuhl, Zug oder anderswo ist das Gespräch über dies und das bei ihnen schnell im Gang.

Vielleicht nehmen wir uns und unser Gesagtes selbst für zu wichtig, zu geheimnisvoll, zu persönlich, zu humorlos oder auch zu unbedeutend als das nicht auch andere das gleiche Denken und Erleben und wir uns darüber austauschen könnten?

Vielleicht liegt es aber auch daran, dass das Interesse an unseren Mitmenschen eher gering ist. Sicherlich gibt es auch Menschen, die das Schweigen an solchen Orten brechen. Sie werden dann aber oft fragend und zweifelnd beobachtet. Das eröffnende Wort wird kaum erwidert. Könnte nicht auch Arroganz eine Rolle spielen, dass wir es nicht als nötig empfinden, mit irgendjemand in Kontakt zu treten, den wir nicht kennen und schon gar nicht über ihn wissen, ob er überhaupt unserem "Niveau" entspricht? Sind wir Deutsche überhaupt kommunikative Menschen oder liegt uns eher die Stille, das Schweigen? Sind wir Misstrauischer als andere?

Wie wäre es, wenn wir uns bei jeder Fahrstuhlfahrt vornehmen ein Gespräch zu beginnen? Das Wetter ist immer ein gutes Einstiegsthema. Aber auch Witze, das letzte eigene Erlebnis oder einen Zeitungsüberschrift könnten Themen sein. "Wissen Sie eigentlich, dass ...."
Wieso eigentlich nicht?

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